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Zeitenwende – Auch für das transatlantische Verhältnis?

Die von Bundeskanzler Scholz ausgerufene „Zeitenwende“ stand im Zentrum einer spannenden Online-Diskussion, die wir am Abend des 13. Aprils mit drei Experten für die transatlantische Sicherheitspolitik ausgerichtet haben.

Die US-Perspektive nahm der pensionierte Generalleutnant Ben Hodges ein, der bis zu seinem Ausscheiden aus dem Dienst Ende 2017 Kommandeur der US-Streitkräfte in Europa war. Sein deutscher Counterpart war der Inhaber des Henry-Kissinger-Lehrstuhls an der Universität Bonn Dr. Ulrich Schlie, der vor seiner akademischen Laufbahn zunächst im Auswärtigen Dienst und später in Leitungsfunktionen im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) tätig war. Moderiert wurde das Gespräch vom US-Politikwissenschaftler und Publizisten Dr. Andrew Denison – bekannt durch seine zahlreichen Medienauftritte als Direktor des politischen Think-Tanks „Transatlantic Networks“.

Immer wieder ging es um die zentrale Frage, ob sieben Wochen nach Kriegsausbruch ein „Sieg“ in militärischer und/oder politischer Hinsicht absehbar sei – und falls ja: für welche Seite, und auf welche Art und Weise. General Hodges betonte, dass es sich bei diesem Krieg um eine Auseinandersetzung zwischen Demokratie und Autokratie handle und definierte vier Siegeskriterien für die Ukraine, die es zu erreichen gelte. Eine vollständige Wiederherstellung der ukrainischen Souveränität auf den Stand vor der Krim-Annexion (2014) betrachtete er auf Nachfrage zwar als wichtiges, aber langfristiges Ziel; kurzfristig gehe es darum, den Stand vor Kriegsausbruch (24.2.2022) wiederherzustellen und sicherzustellen, dass Russland künftig keine Gefahr mehr für Europa darstellen könne – inklusive entsprechender Sicherheitsgarantien ‚des Westens‘. Professor Schlie konnte und wollte sich eine Nachkriegsordnung unter einem russischen Präsidenten Putin nicht vorstellen: diese werde stets volatil sein, da Putin kein vertrauenswürdiger Verhandlungspartner sei und künftig als Kriegsverbrecher kein legitimer Gesprächspartner mehr sein könne. Den vermeintlichen ‚Versprecher‘ von US-Präsident Biden, dass Putin nicht Präsident der Russischen Föderation bleiben könne, bewerteten beide Panellisten als positiv: Während Schlie zumindest einschränkend hervorhob, dass ein solches Ziel eines Regimewechsels nicht offen diskutiert werden solle, zeigte sich Hodges „stolz“ ob der Worte seines Präsidenten und verglich sie mit den Worten US-Präsident Reagans kurz vor dem Ende des Kalten Krieges: Die Sowjetunion als „evil empire“ zu bezeichnen und den Fall der Mauer zu fordern sei auch alles andere als diplomatisch gewesen – aber das richtige Zeichen zur rechten Zeit.

Abschließend war sich die Runde einig, dass die „Zeitenwende“ auch spürbar innerhalb westlicher Gesellschaften sein werde. Dies müssten die jeweiligen Regierungen auch aktiv ansprechen – ob mit dem amerikanischen Pathos einer Verteidigung der Demokratie (Hodges) oder mit dem nüchtern-deutschen Fokus auf Veränderungen, die bevorstünden (Schlie).

Wir danken dem Podium und allen Gästen für die spannende Diskussion und befürchten, dass wir diese angesichts der Weltlage bald werden fortsetzen müssen.

Veranstaltung anschauen: https://youtu.be/aykyvZi7J80 

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