Spannende Diskussion über die Rolle der Religion im US-Wahlkampf
Manchmal greifen Themen ineinander: Bei unserer außenpolitischen Diskussion mit Alexander Graf Lambsdorff vor zwei Wochen wies jener darauf hin, dass das Verhältnis von Religion und Politik in den USA aus deutscher Sicht meist unterschätzt oder missverstanden werde. In Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung fand am 30. September dann eine Debatte zu just jenem Thema statt: Unter der Überschrift „Religiöse Wählergruppen im US-Wahlkampf“ diskutierten die ehemalige Deutschland-Direktorin des American Jewish Committee (AJC), Deidre Berger und die Transatlantik-Historikerin Professor Dr. Britta Waldschmidt-Nelson, unter fachkundiger Moderation des WDR-Journalisten Arnd Henze.
In ihrem Eingangsstatement ging Professor Waldschmidt-Nelson auf römisch-katholische Wähler/innen als wichtige inneramerikanische Gruppe ein. Diese würden von beiden Präsidentschaftskandidaten auf die eine oder andere Weise angesprochen: von Präsident Trump u. a. durch die jüngste Nominierung der potentiellen Supreme-Court-Richterin Amy Coney Barrett; und von seinem Herausforderer Joe Biden durch seine jahrzehntelange ‚tugendhafte‘ Lebensführung als bekennender gläubiger Katholik.
Deidre Berger fokussierte daraufhin in ihrem Statement auf jüdisch-amerikanische Wähler/innen und hier speziell auf ihr Verhältnis zum Staat Israel: Traditionell seien gerade liberale Jüdinnen und Juden pro-israelisch eingestellt, die konfrontative Politik Präsident Trumps in der Region – Stichwort: Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem – treffe aber auf gemischte Gefühle. Erschreckenderweise, so Berger an späterer Stelle, fühlten sich amerikanische Juden laut einer Umfrage des AJC zunehmend unsicherer in den USA, da sie eine gesteigerte Sorge um den Bestand der demokratischen Institutionen umtreibe. Arnd Henze erwähnte in diesem Kontext amerikanischen Historiker Timothy Snyder, der die aktuelle gesellschaftliche Stimmung unter Präsident Donald Trump mit den 1930er Jahren in Deutschland vergleicht. Diese Sorge teilte Berger, und sie verwies darauf, dass gerade die extreme Rechte in den USA eine regelrechte Angst vor dem Bedeutungsverlust des ‚weißen männlichen Privilegs‘ hätte und zunehmend mobilmache gegen diverse Minderheiten.
Einig war sich das virtuelle Podium, dass die zunehmende Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft äußerst besorgniserregend sei: So erodiere der gesellschaftliche Zusammenhalt – auch zwischen verschiedenen Minderheiten – seit Jahren, und Kompromisse zwischen den beiden großen politischen Lagern seien – anders als beispielsweise in Deutschland – fast nicht mehr möglich.
In der anschließenden Diskussion unter reger Beteiligung des zugeschalteten Publikums ging es um eine Vielzahl an Folgediskussionen, die aufgrund der knappen Zeit leider allenfalls angerissen werden konnten: darunter auch die spannende Frage nach möglichem Antisemitismus speziell in schwarzen Communitys. Die abschließende Frage, ob Religion womöglich die amerikanische Gesellschaft ‚heilen‘ könne, beantwortete Deidre Berger – nach Eigeneinschätzung – ‚typisch amerikanisch‘ und somit optimistisch. Dies weckte bei den Beteiligten vage Hoffnungen – und den Wunsch, die Diskussion in naher Zukunft fortzusetzen.
Unser herzlicher Dank gilt den Partnern von der Konrad-Adenauer-Stiftung für die erneute gelungene Zusammenarbeit! Eine Aufzeichnung der Diskussion finden Sie hier: https://youtu.be/vPnMW_Wu_sE
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