Living in a Contaminated World – Vortrag und Diskussion
Holly A. Case, Geschichtsprofessorin an der Brown University und Fellow an der American Academy in Berlin, hielt einen nachdenklich stimmenden Vortrag mit dem Titel „Living in a Contaminated World“, in dem sie auf die Auswirkungen historischer Ereignisse und Konflikte auf aktuelle und künftige politische Entwicklungen in den Vereinigten Staaten und Europa hinwies, mit besonderem Augenmerk auf die Ukraine. „Die Art und Weise, wie wir uns die Zukunft vorstellen, beruht auf der Art, wie wir über die Vergangenheit denken,“ argumentierte sie, und es sei daher von entscheidender Bedeutung, wie wir über Geschichte denken und sprechen. Zur Veranschaulichung ihres Standpunkts führte Professor Case das Beispiel des russischen Präsidenten Wladimir Putin an, der behauptete, der Zweck der Invasion sei die „Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine“ gewesen, und der andeutete, dass das Streben nach ukrainischer Unabhängigkeit durch die Kollaboration einiger Ukrainer mit Nazideutschland während des Zweiten Weltkriegs für immer „befleckt“ (engl. „tainted“) bleiben würde.
Anschließend erläuterte sie die Praxis des „Tracing Taint,“ d.h. die Suche nach der Quelle einer vermeintlichen Kontamination der Gegenwart, und wies sowohl auf die Möglichkeiten der Manipulation hin als auch auf die Grenzen, die diese Vorgehensweise dem Nachdenken über die Zukunft setzt. Während sie das Publikum aufforderte, sich historischen Realitäten zu stellen und diese kollektiv anzuerkennen, versuchte Professor Case auch, eine optimistischere Perspektive zu eröffnen. Sie unterstrich die Bedeutung der Auseinandersetzung mit unbequemen Wahrheiten als Weg zu kollektiver Heilung und Fortschritt. Die Teilnehmer ermutigte sie, „auf menschlicher Ebene zusammenzukommen“ und sich Gesellschaft zu suchen, um die Probleme unserer Zeit zu bewältigen.
Im Anschluss an den Vortrag führte Professor Case ein Gespräch mit Professor Dr. Martin Schulze-Wessel von der LMU München und dem Publikum. Die Gäste zeigten sich dankbar für diese gemeinsam vom AmerikaHaus NRW e.V., der American Academy in Berlin und der Fritz Thyssen Stiftung ausgerichtete Veranstaltung, die eine nuancierte Erforschung der Komplexität historischer Ereignisse und Traumata anregte, deren Auswirkungen auf heutige Entwicklungen analysierte und zugleich einen optimistischen Blick in die Zukunft eröffnete.
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